Österreichs CrowdworkerInnen

Ein Angriff auf arbeitsrechtliche Mindeststandards… – ist dem so?

Im Standard vom 10. September und im Jobkurier vom 17. September wurde die Crowd mittels von der Arbeiterkammer erhobener Inhalte thematisiert. Ein Auszug daraus:
– alte wie junge Menschen sind auf den Plattformen aktiv
– Frauen sind fast genau so stark vertreten wie Männer
– unterschiedlichste Qualifikationsstufen werden angeboten
– 43 % der CrowdworkerInnen in Österreich verdienen pro Jahr zwischen 18.000,- und 36.000,- Euro

Kritisiert wird, dass es ein Machtgefälle gäbe zwischen zwischen AuftraggeberInnen und -nehmerInnen und dass durch die Tatsache, dass Plattformen oft aus dem Ausland arbeiten, eine Handhabe bei Auseinandersetzungen nur schwer möglich sei. Meiner Meinung nach ist das Entstehen der Crowd neben einem gewissen Lifestylefaktor auch dadurch bedingt, dass das System „Dienstgeber – Angestellte“ nicht flexibel genug ist. Natürlich geht es wieder mal um Dienstgeber von Angestellten, Scheinanstellungen und Sozialversicherungsbeiträge. Hinter jeder Vermittlungsplattform aber gleich verdeckte Dienstverhältnisse zu vermuten, find ich aber dann doch überzogen.

An diesem Thema wird jedoch unbestritten sichtbar, wie sehr die Welt zusammenwächst und die Globalisierung Wohlstandsunterschiede sichtbar macht. Einzelne Arbeiten wie eine einfache Logoerstellung wird man sicher billiger in Südostasien zukaufen können, aber für die meisten Projekte wird man nach wie vor auf Auftragnehmer in jenem Umkreis zurückgreifen, der ein persönliches Treffen zumindest möglich erscheinen lässt.

Ich kann mich noch sehr gut an meine eigenen Kollektivvertragsverhandlungen (für die Justizbetreuungsagentur) mit der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst erinnern (die übrigens sehr wertschätzend und auf sehr hohem inhaltlichen Niveau geführt wurden). Auf meinen Hinweis, dass man wohl auch hier zusammen sitze, weil das aktuelle System offensichtlich nicht flexibel genug sei, kam sinngemäß diese Antwort: „Wir sind sehr flexibel, wir müssen uns nur auf etwas Sinnvolles einigen und innerhalb kürzester Zeit können wir so den Kollektivvertrag anpassen.“
Damals wie jetzt heißt das für mich, dass man sich erfahrungsgemäß nur schwer und eher langwierig auf etwas Neues einigt und ein Kollektivvertrag nur in der Theorie flexibel ist.
Beim Interessenswettstreit bleibt das Fazit: Der kleinste gemeinsame Nenner in den Verhandlungen ist in einem ausbalancierten System auf der Suche nach Neuerungen nur selten ein innovatives und besonders gutes Ergebnis.

Wir dürfen also auch hier ruhig feststellen: Das Entstehen von alternativen Organisationsformen von Arbeit ist erstens nicht überraschend, zweitens nicht aufzuhalten, drittens ein Zeichen und eine Folge sich ändernder Rahmenbedingungen und viertens auch eine große Chance auf dem Weg zu einer höheren Produktivität. Je eher dieses Denken in den Köpfen der Verantwortlichen ankommt, desto besser kann auch der notwendige ArbeitnehmerInnenschutz integriert werden. Durch Wegschauen provoziert man nur erzwungene Reaktionen, Missstimmung und Unsicherheit und hemmt so das Vorankommen.

Die Arbeiterkammer plant qualitative Fragen in Sachen Crowdwork, was sehr zu begrüßen ist, um dieses inhaltlich besonders spannende Thema voranzubringen. Wir werden die Entwicklung beobachten…

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Bildquelle: pixabay.com

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