Schöne neue Arbeitswelt

So der sarkastische Titel im „Kommentar der anderen“ im Standard vom 19. Dezember 2016
http://derstandard.at

Maximilian Kasy ist Associate Professor am Department of Economics der Harvard University und hat eine Meinung zu Online-Arbeitsplattformen. Diese deckt sich nicht (ganz) mit unseren Ansichten.

Dienstleistungen über Online-Plattformen ermöglichen unter dem Schlagwort „Crowdwork“, Dienstleistungen erledigen zu lassen. Die erste Meinungsdiskrepanz haben wir in dem Punkt, dass der Autor den Faktor „billig“ als ausschlaggebend hervorstreicht, was aber ganz und gar nicht unserem Eindruck entspricht. Unternehmen wollen 1. rasch zu 2. zuverlässigen Leistungsanbietern kommen, die 3. bei der Auftragserfüllung mitdenken und 4. termintreu sind. Punkt 5. oder 6. oder 7. darf gerne billig sein und wird bei mehr Anbietern auch schon mal das ausschlaggebende Vergabekriterium sein, aber sicher nicht mehr. Und wenn mehr, dann einmal, bis man daraus gelernt hat, dass billig als alleiniges Kriterium nur in Ausnahmefällen gut sein kann.

Die beiderseitigen Vorteile von Plattformen allgemein sind bekannt: Flexibilität, freie Arbeitszeiteinteilungen, keine Kontrollen, usw. Das damit scheinbar direkt verbundene Problem der Scheinselbständigkeit wird reflexhaft angeführt, hat aber per se nichts damit zu tun – die sozialversicherungsrechtlichen Vorgaben entstammen aus einer vergangenen geschichtlichen Epoche und sind nicht darauf ausgelegt, den neuen Anforderungen der Arbeitswelt gerecht zu werden. Ich bezweifle auch, dass es überhaupt so adaptierbar ist, dass es die Gesamtheit der Anforderungen auch nur halbwegs abdecken kann. Es hat – ausreichende – Gründe, warum das „alte“ System mit Anstellungen und entsprechender gewerkschaftlicher Vertretung auf dem Rückzug ist, und wir alle kennen viele davon aus eigener Erfahrung: Unflexible Arbeitszeitgesetze und deren Unveränderlichkeit durch gewerkschaftliche Justament-Positionen und politische Scharmützel, die Verweigerung der Anerkennung von Realitäten (siehe Ladenöffnungszeiten), der technische Fortschritt und somit die Möglichkeiten und Erfordernisse eines „Home-Office“ (in der Praxis fast unmöglich sauber umsetzbar), das Senioritätsprinzip bestehender Kollektivverträge und Entlohnungsschemata, das Überangebot an nicht-top-qualifizierten Arbeitskräften und die damit einhergehenden engagierten, aber auch verzweifelten Fördermaßnahmen des AMS (oft als direkte praktische Konkurrenz zu Personaldienstleistern), Kündigungsschutz, Versorgungsmentalität und noch vieles mehr. Wen wundert es da, dass ausgelagert und ausgewichen wird, was das Zeug hält?

Viele Unternehmen nehmen diese Möglichkeiten wahr, weil es unendlich viel Aufwand und praktische Probleme erspart, und ja – weil es wohl auch etwas billiger ist. Viel lieber wäre es ihnen aber, die Mitarbeiter direkt und persönlich beschäftigen zu können, wenn es nicht so ressourcenintensiv und aufwändig wäre.

Herr Kasy schätzt weiters die Varianten richtig ein: Sinnlos ist, die Verbreitung von Plattformen zu verhindern oder dies auch nur zu wollen. Besser wäre es, Organisationsarbeit und Sozialgesetzgebung den neuen Verhältnissen anzupassen. Hier bin ich nicht seiner Meinung. Nicht deshalb, weil ich mir das Ergebnis nicht genauso wünschen würde (Errungenschaften des Sozialstaates), sondern weil ich von der Sinnlosigkeit dieser Vorgangsweise überzeugt bin. Die Welt ist nun mal so globalisiert und so zusammengewachsen, dass kleingeistige nationalstaatliche Lösungen nicht die Lösung sein können. Eine „Besteuerung“ oder sonstige „Erschwerung“ von Plattformen würde nur das verstärken, was wir jetzt schon haben: Dienstleistungen werden online nach Asien ausgelagert, Arbeitsplätze kurzfristig nach Rumänien verlegt, Betriebe in Österreich zugesperrt, und für touristische Vermarktung des zwar schönen aber arbeitsplatzarmen Landes brauchen wir ausländische Mitarbeiter, weil wir Österreicher um die gebotene Entlohnung nicht arbeiten.

Bildquelle: pixabay.com

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